Andreas Ueckert ist Experte für nachhaltige städtische Entwicklung und innovative Technologien wie das Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz oder Virtual Reality. Seit dem 1. März 2024 ist er Head of Smart City bei Bechtle. Zuvor arbeitete er am Fraunhofer IAO in Stuttgart im Bereich der angewandten Smart-City-Forschung und war zuletzt als Berater bei der Urban Software Institute GmbH, einem Anbieter von Smart-City-Lösungen tätig.


Das Thema Smart City ist nicht neu. Wieso nimmt es gerade jetzt an Fahrt auf? 

Auf der Welt leben acht Milliarden Menschen, über die Hälfte von ihnen in Städten. In Deutschland sind es sogar drei Viertel der Gesamtbevölkerung. Städte verbrauchen über 65 Prozent der weltweiten Energie und sind für mehr als 70 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Da ist es nur logisch, gerade hier anzusetzen. Und das tut der Gesetzgeber seit etwa einem Jahrzehnt mit wachsendem Nachdruck, auf globaler, europäischer und auf nationaler Ebene. Es wurden umfangreiche Regularien und Zielsetzungen entwickelt, um langfristig eine höhere Lebensqualität zu erreichen und die Sicherung unserer Lebensgrundlage zu gewährleisten. 

Wo befinden wir uns auf dem Weg zur Erreichung dieser Ziele? 

Das Bild zur Halbzeit der Agenda 2030 ist ernüchternd: Falls wir in diesem Tempo weitermachen, werden wir bis Ende des Jahrzehnts keines der 17 Sustainable Development Goals vollständig erreichen. Die Anstrengungen müssen also deutlich verstärkt werden. Mit Blick auf unsere Städte heißt das: Es müssen sich Smart Citys etablieren, die durch den Einsatz von Sensoren und KI-Analysen die Bereiche regulieren und optimieren, die in Städen für den größten CO2-Ausstoß sorgen. Dazu gehören der Verkehr, die Wärme- und Energieversorgung oder der Erhalt und Aufbau von Infrastruktur. 


Die gute Nachricht ist: Wir sind mittlerweile an einem Punkt, wo es jede Menge bewährte Lösungen gibt, die die Kommunen nur noch für sich adaptieren müssen.

Andreas Ueckert, Head of Smart City bei Bechtle


Das klingt fast zu einfach. Wo liegen denn die Herausforderungen der Kommunen? 

Eine der großen Herausforderungen ist, dass viele Kommunen wegen des demografischen Wandels und des damit verbundenen Fachkräftemangels sowieso schon an der Belastungsgrenze arbeiten. Dazu kommt, dass Städte und Gemeinden häufig ihren Status quo gar nicht kennen. Sie wissen nicht, wo sie beispielsweise auf dem Weg zur Klimaneutralität stehen oder welche kommunale Liegenschaft wie viel Energie verbraucht. 

Es fehlt also an Daten. 

Genau. Und das führt dazu, dass kommunale Klimamanager:innen extrem viel Zeit darauf verwenden müssen, herauszufinden, wo die Stadt überhaupt steht. Je nach Größe kann da schnell ein halbes Jahr oder länger ins Land ziehen. 

Wie geht man hier vor? 

Um auf Basis einer guten Datengrundlage nachhaltige Entscheidungen zu treffen, können Kommunen beispielsweise Smart Meter einbauen, intelligente Monitoringsysteme, die in Echtzeit Daten liefern. So können auch Abweichungen vom Muster erkannt werden: Im Sommer wird geheizt, nachts brennt das Licht. Das passiert häufiger, als man denkt. Im Bereich Verkehr gibt es Lösungen, die mit Hilfe von Wärmebildkameras den Verkehrsfluss rund um die Uhr tracken und die verschiedene Fahrzeugdaten unterscheiden können. Dann kann die Stadt auf Basis des tatsächlichen Verkehrslagebilds datenbasierte Entscheidungen treffen und wirklich ins Handeln kommen. Das spart viel Zeit und Ressourcen. 

Nach der Umsetzung zahlreicher Modellprojekte zum Beispiel in Freiburg bietet Bechtle seinen Kunden seit Oktober 2023 ein umfangreiches Smart-City-Portfolio an. Wie genau sieht die Unterstützung aus? 

In der Regel haben Kommunen keine Übersicht, welche Lösungen es auf dem Markt für ihre spezifischen Bedarfe schon gibt. Und genau da kommt Bechtle ins Spiel. Wir übernehmen die Beratung und helfen den Kommunen zu verstehen, wo und wie sie digitalisieren können, um zum Beispiel Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Und das ganz lösungsneutral. 

Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen? 

Für die Umsetzung arbeiten wir mit starken Partnern zusammen und können sämtliche Bereiche der Smart City abdecken. Das reicht von Tools, die zeigen, welche Abwasserkanäle gespült werden müssen, um die pauschale Reinigung zu vermeiden, über Bauwerksmonitoring, mit dessen Hilfe zum Beispiel Brücken länger erhalten werden können, bis hin zum Grünflächenmonitoring, um nicht unnötig zu gießen oder Smart Parking, das den Parksuchverkehr reduziert. Die IT-Infrastruktur solcher Lösungen ist durchaus komplex und die Kommunen brauchen erfahrene Partner wie Bechtle, die die komplette Bandbreite von der Installation der Hardware über die Connectivity bis hin zur Visualisierung im Dashboard abbilden können. 

Wohin entwickeln sich denn unsere Städte, wenn die Transformation gelingt? 

Ich denke, schon in wenigen Jahren wird nahezu jede Kommune eine Vielzahl an Lösungen haben, die automatisiert Daten sammeln und auswerten. Sodass Klimamanager:innen und Stadtentwickler:innen sich nur noch überlegen müssen, wie sie den Status verbessern können, anstatt sich langwierig mit Datenerfassung beschäftigen zu müssen. Dadurch werden die Verwaltungen der Zukunft mit relativ wenig Personal einen extremen Impact haben. Sie können auf solider Datengrundlage Maßnahmen treffen, deren Wirksamkeit evidenzbasiert beurteilen und entsprechend nachsteuern. Der Zyklus der Optimierung wird sich so stark beschleunigen und die Städte werden sich ihren Zielen wesentlich schneller annähern als bisher. 


2030 wird vermutlich knapp, aber bis 2035 dürften klimaneutrale Städte realistisch sein.

Andreas Ueckert



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