Softwareumsätze nach IFRS 15.
Im Geschäftsbericht 2020 und dem Halbjahresbericht 2021 hat die Bechtle AG erläutert, dass es bezogen auf den Umsatzausweis beim Handel mit Softwarelizenzen unterschiedliche Auslegungen gibt. Bechtle hat die Bilanzierungsmethode beim Handel mit Standardsoftwarelizenzen im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2021 umgestellt.
Im Folgenden erklären wir die Auswirkungen und beantworten mögliche Fragen.
Auf einen Blick.
FAQ zur bilanztechnischen Umstellung.
IFRS 15.
International Financial Reporting Standard (IFRS) 15 (Erlöse aus Verträgen mit Kunden) regelt die bilanzielle Behandlung der Umsatzerlöse. Dabei ist es in Fällen der Beteiligung von einer anderen Partei an der Lieferung von Gütern oder an der Erbringung von Dienstleistungen für die Höhe des Ausweises der Umsatzerlöse entscheidend, ob das Unternehmen als Prinzipal oder Agent agiert.
Die Unterscheidung zwischen der Rolle des Prinzipals und des Agenten eines Unternehmens hat Folgen für die Abbildung des Umsatzes in der Gewinn- und Verlustrechnung. Während die Stellung des Prinzipals zu einem Ausweis der gesamten Gegenleistung als Umsatz führt, erfolgt der Umsatzausweis bei einem Agenten in Höhe der Gebühr bzw. Provision als erhaltene Gegenleistung für die Vermittlung.
Ein Unternehmen handelt als Prinzipal, wenn es die spezifizierten Güter oder Dienstleistungen kontrolliert, bevor sie an den Kunden übertragen werden. Der Prinzipal ist somit ein Händler oder Hersteller. In diesem Fall zeigt der Prinzipal den Umsatz in Höhe des Rechnungsbetrags an den Endkunden.
Besitzt ein Unternehmen keine Kontrolle über die spezifizierten Güter oder Dienstleistungen, bevor diese an den Kunden übertragen werden, agiert es als Agent. Der Agent ist somit lediglich ein Vermittler. In diesen Fällen zeigt das Unternehmen den Umsatz in Höhe der erzielten Bruttomarge.
Sofern bei der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen eine weitere Partei (Softwarehersteller) beteiligt ist, hat Bechtle zu beurteilen, ob es die Leistungsverpflichtung selbst ausführt und folglich als Prinzipal agiert oder ob es die Übertragung spezifizierter Güter bzw. Dienstleistungen ("specified goods or services") nur arrangiert und daher als Agent auftritt. Gerade bei Software ist es häufig so, dass die Übertragung direkt vom Softwarehersteller zum Kunden stattfinden kann, ohne Zutun des Software-Resellers.
Soweit Bechtle nach dieser neuen Beurteilung des IFRS 15 bei Umsätzen mit Standardsoftwarelizenzen als so genannter „Agent“ und nicht als „Prinzipal“ zu qualifizieren ist, weist Bechtle den Umsatz mit Standardsoftwarelizenzen nicht mehr komplett, sondern nur noch in Höhe der erzielten Bruttomarge aus (Bilanzierung als Agent).
Ohne die bilanztechnische Neubewertung läge das Umsatzwachstum im Berichtsjahr 2021 bei 7,3 %. Nach der entsprechenden Umstellung lag es bei rund 5,1 %. Hintergrund für diesen Unterschied war vor allem der äußerst positive Geschäftsverlauf unserer Gesellschaft Bechtle Clouds im Berichtsjahr. Sie zeigte ein deutlich überproportionales Umsatzwachstum im Vergleich zum Gesamtkonzern. Nach der Neubewertung klassifizieren wir die Umsätze der Bechtle Clouds zu einem Großteil als Agent und können sie daher nicht mehr ausweisen. Im Berichtsjahr 2022 lag das Wachstum ohne die bilanztechnische Neubewertung (das Wachstum des Geschäftsvolumens) bei 16,6 %. Unter Beachtung der Umstellung (Umsatzwachstum) lag das Wachstum bei 13,6 %.
Umsetzung.
Wie bereits im Geschäftsbericht 2020 auf Seite 143 angekündigt, hat Bechtle eine Eingabe an das IFRS Interpretations Committee (IFRS IC) zu diesem Themenkomplex übermittelt. Diese Eingabe wurde vom IFRS IC in seiner Sitzung vom 30.11.2021 behandelt. Das der Sitzung zugrundeliegende „Staff Paper“ und die Diskussion in der Sitzung zeigen eine andere Wertung zentraler Elemente der erforderlichen Analyse nach IFRS 15. Nach unserer Einschätzung offenbaren sie eine klare Tendenz „pro-Agent“ („Nettoausweis“).
Bechtle hat auf Basis der zusätzlichen Erkenntnisse durch den vorläufigen Beschluss des IFRS IC die bisherigen Ermessenentscheidungen neu beurteilt. Diese Ermessenentscheidungen betreffen insbesondere die Würdigung der Pre-Sales Beratungsleistung. Pre-Sales Beratungsleistungen sind daraufhin nicht mehr als wesentlicher Bestandteil der Leistungsverpflichtung gegenüber dem Kunden zu würdigen und stellen somit kein (signifikantes) Leistungsversprechen gegenüber dem Kunden dar.
Mit der vorläufigen Entscheidung des IFRS IC in diesen Sachverhalten agiert Bechtle als Agent und hat den Umsatz aus dem Verkauf von Standardsoftware ohne Customizing im indirekten Geschäft um die entsprechenden Kosten reduziert. Da die Posten Umsatzerlöse und Umsatzkosten in gleicher Höhe reduziert wurden, bleibt das Bruttoergebnis vom Umsatz im Rahmen der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung unverändert. Durch die Reduzierung der Umsatzerlöse bei gleichbleibendem Bruttoergebnis vom Umsatz erhöhen sich die EBIT- / EBT-Marge.
Wir haben eine so genannte retrospektive Änderung der Bilanzierungsrichtlinie zur Netto-Bilanzierung von Umsatzerlösen zum 31.12.2021 vorgenommen. Die Anpassung führt nicht zu einer Änderung vorangegangener Abschlüsse. Allerdings stellen wir den auf diese Regelungen angepassten Vorjahreswert dar.
Die endgültige Entscheidung wurde am 20. April 2022 vom IFRS Interpretations Committee getroffen.
Unter Unterlagen finden Sie weitere Infromationen.
Geschäftsmodell.
Es gibt keinerlei Auswirkungen auf das operative Geschäft. Der Handel mit Software geht ebenso unvermindert weiter wie alle damit in Verbindung stehenden Serviceleistungen. Weder Kunden noch Herstellerpartner sind von der Änderung betroffen. Es handelt sich um eine rein bilanztechnische Änderung.
Nein, das Geschäftsmodell von Bechtle bleibt unverändert. Wir sind nach wie vor ein Komplettanbieter, der seinen Kunden Hard- und Software sowie alle Dienstleistungen rund um die IT anbietet.
Durch die bilanztechnische Neubewertung ist ausschließlich der Umsatzausweis betroffen. Alle anderen Zahlen bleiben unverändert. Die Marge als Relation von Ergebnis zu Umsatz ist bei einem niedrigeren Umsatz und gleichbleibendem Ergebnis entsprechend höher. Inwieweit die Bechtle AG die in der Vision genannten Ziele nun anpasst, werden Vorstand und Aufsichtsrat zu gegebener Zeit diskutieren.
IT-Markt.
Grundsätzlich müssen sich alle Unternehmen, die nach IFRS bilanzieren, an die entsprechenden Standards und deren Auslegung durch das IFRS IC halten.
Nein, das Geschäftsmodell von Bechtle bleibt unverändert. Wir sind nach wie vor ein Komplettanbieter, der seinen Kunden Hard- und Software sowie alle Dienstleistungen rund um die IT anbietet.
Nein, denn das operative Geschäft ist nicht betroffen. Unsere partnerschaftliche Beziehung zu den Softwareherstellern bleibt unberührt von Änderungen. Wir verfügen bei allen relevanten Softwareherstellern über den jeweils höchsten Partnerstatus. Der geänderte Umsatzausweis ist eine rein bilanztechnische Neubewertung.
Weitere Informationen.
- Unterlagen des IFRS Interpretations Committee. (November 2021)
- Unterlagen des IFRS Interpretations Committee. (April 2022)
- Auszug aus dem Geschäftsbericht 2020.
- Auszug aus dem Zwischenbericht 2021.
- Pressemitteilung vom 10. Februar 2022.